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Quito - Herzenssache

Vor meiner Abreise nach Ecuador hörte ich immer wieder Geschichten von Strassensperren zwischen Cali und der Grenze, die dazu führten, dass Touristen auf teure Flugtickets zurückgreifen mussten. Das wollte ich natürlich vermeiden. Obwohl ich erfahren hatte, dass die Sperren aufgehoben wurden, wollte ich genug früh in Quito ankommen, weil am 19. April Silvan, mein Freund, ankam.
„In Ecuador wiegen Sie weniger als dort, wo sie herkommen. Weil hier der breiteste Punkt der Erde ist und wir am weitesten vom Erdkern entfernt sind, also ist die Erdanziehungskraft geringer.“
„In Ecuador wiegen Sie weniger als dort, wo sie herkommen. Weil hier der breiteste Punkt der Erde ist und wir am weitesten vom Erdkern entfernt sind, also ist die Erdanziehungskraft geringer.“
Am 18. ging ich also alleine ein bisschen ins historische Zentrum, um Erinnerungen aufleben zu lassen. Vor vier Jahren half ich hier als Freiwillige in einem Hort für arme Kinder mit. Doch bis zu diesem Gebäude kam ich gar nicht, weil mich ein Strassenverkäufer ansprach und dann einfach mit mir mitlief, um mit mir zu sprechen. Ein Venezolaner. Die finde ich sowieso eher sympathisch, weil ich bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht habe und auch, weil sie mir Leid tun wegen ihrer Krise im Land. Bei der Grenze gab es sogar eine eigene Schlange für Venezolaner und Unterstützung vom Roten Kreuz.
Da ich ja sowieso keine Pläne hatte, störte mich seine Gesellschaft nicht. Er half mir, eine SIM-Karte zu finden und wir liefen den ganzen Weg zurück bis in einen Park in der Nähe meines Hostels. Zum Schluss schenkte er mir sogar eine seiner selbstgemachten Halsketten, und ich lud ihn dafür zu einer Empanada ein. 
Am Nachmittag traf ich mich mit Gaby, einer Ecuadorianerin, die damals auch in Bournemouth Englischkurse nahm. Obwohl wir uns nicht kannten - nur durch gemeinsame Freunde und Social Media - verstanden wir uns auf Anhieb und lachten viel. Wir gingen auf den TeleferiQo, eine Seilbahn, die auf den Hausberg führt. Kaum kamen wir oben an, fing es auch schon an wie aus Kübeln zu schütten. Willkommen in Quito - wo jeder Tag ein Apriltag ist. Immerhin konnten wir jetzt ohne schlechtes Gewissen ins Kino einen Horrorfilm schauen gehen.
Am Freitag brachte mich Gaby und ihre Schwester zum Flughafen, um Silvan abzuholen. Ich war nervös, aber freute mich natürlich auch! Jetzt würde sich mein Reisestil kurzfristig etwas ändern...
Auf dem Markt in Otavalo mit einer Karnevalsmaske
Auf dem Markt in Otavalo mit einer Karnevalsmaske
Wir gingen zusammen nach Otavalo an den grossen Markt voller handgemachter Ware. Gaby und ihre Mutter begleiteten uns. Danach bestanden sie darauf, dass wir ein spezielles Eis aus der Region assen. Ich fand nicht, dass es sehr anders schmeckte, aber sie servierten es bei Bedarf mit geriebenem Käse! Natürlich konnte ich dies als Schweizerin nicht verantworten. :P
Am Ostersonntag erkundeten Silvan und ich die Altstadt und gingen zum Panecillo, ein kleiner Hügel mitten in der Stadt. Von dort hat man eine wunderbare Aussicht über das ganze Tal, aber die beiden Enden der Stadt sieht man trotzdem nicht. Dann offerierte uns ein Taxifahrer, mit einem mexikanischen Touristen zur Mitad del mundo mitzukommen, der „Mitte der Welt“. Also zum Äquator. Dahin wollte ich sowieso unbedingt, und wir stimmten zu, obwohl das Taxi natürlich viel teurer war als der Bus. Wir bereuen es nicht! Miguel, der Fahrer, war sehr um unser aller Wohlbefinden bemüht und war gleichzeitig auch ein bisschen Touristenführer. Einmal versuchte er zwar, uns abzuzocken, indem er uns zuerst zu einem anderen, weiter entfernten Monument fuhr. Aber ich wollte wirklich nicht mehr bezahlen, da eine sowieso fast einstündige Taxifahrt natürlich Luxus für mein Reisestil ist. Wir hatten 40$ abgemacht (für uns beide), also wollte ich nicht noch mehr zahlen. Also handelte und diskutierte ich was das Zeug hält, ruhig, auf Spanisch, und erreichte mein Ziel. Darauf bin ich stolz! Sonst bin ich nie gut im Handeln. Nach dieser kleinen Panne konnten wir endlich das Museum am Äquator geniessen. Sie zeigten uns, dass das Wasser in unterschiedlicher Richtung abläuft, wenn es nur schon 2 Meter von der Nulllinie nördlich bzw. südlich entfernt ist! Danach gingen wir in ein lokales Restaurant, wo ich die beste Standart-Reis-Hühnchen-Salat-Kombi seit Anfang meiner Reise hatte. Zum krönenden Abschluss konnten wir dank Miguel sogar ein bisschen Meerschweinchen probieren! Ich kriegte nur ein wenig Fleisch und mehr harte Haut, aber das Fleish schmeckte recht gut. Zu unserem Entsetzen kaufte Miguel für seine Familie mal schnell noch einen ganzen - schon zubereiteten - Schweinekopf.
Quito wird halt für immer einen speziellen Platz in meinem Herzen haben. Auch wenn die Stadt dreckig, das Wetter launisch und das Essen meist langweilig ist - ich hatte hier drei der besten Monatemeines Lebens verbracht und bin froh, dies nun auch mit meinem Freund geteilt haben zu dürfen. 

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