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Amazonas - eine andere Welt

Wow... Der Amazonas ist eine andere Welt.

Ich habe diesen Tagebucheintrag so lange herausgeschoben, weil es einfach so viel zu erzählen gibt und ich mir dafür ganz viel Zeit nehmen wollte/musste.


Dieses Erlebnis ist etwas vom Besten, was ich je erlebt habe - in meinem ganzen Leben, nicht nur auf dieser Reise. Ich weiss gar nicht, wo anfangen, ich werde nie genügend darüber in Worten sagen können.


Ein portugiesischer Freund hat mir eine Tour mit „Selvaventura“ empfohlen, also habe ich fünf Tage im Regenwald gebucht. Auch dabei waren zwei Deutsche (Pauline & Mario, für drei Tage) und ein Däne (Mikkel, für vier Tage). Die Tour startete in Iquitos, wo man nur per Flugzeug oder alternativ per mehrtägiger Bootsfahrt hingelangt.


1. Tag:

Schon die Hinfahrt ins Camp war spannend. Der Fluss, auf dem wir fuhren, war schon so breit, dass der richtige Amazonas-Fluss wohl wie ein See wirken muss! Schon bald änderte das Wasser abrupt von Schwarz auf Braun. Wir machten einen kurzen Stopp bei einem Tierreservat, wo wir Vögel, Schlangen und die grössten Fische, die ich je gesehen habe, betrachten konnten. Dieser Ort hat mir aber nicht so gefallen, da das ganze sehr touristisch ausgerichtet war. 

Nach ca. drei Stunden bogen wir in einen kleinen Nebenfluss ein, wo wir am Ufer unsere Schuhe abziehen und in ein Kanu umsteigen mussten, da das Wasser dort nicht mehr tief genug war. Einige Minuten später waren wir in unserem Zuhause für die nächsten paar Tage angelangt: Hütten auf Stelzen, durch Brücken verbunden.

Um zum „Esszimmer“ zu gelangen, mussten wir durch’s Wasser laufen. Bei Tag liefen wir eigentlich immer barfuss herum, aber sobald es dunkel wurde, mussten wir Gummistiefel anziehen, wegen den Schlangen.. Nach dem Mittagessen - Kaiman (ich habe nur ein bisschen probiert) - ging es wieder ins Kanu und ins Boot; Delfinsichtung war angesagt. Unsere eigenen Schuhe haben wir seither nicht mehr angerührt, es zählten nur noch barfuss oder Gummistiefel. Als wir auf dem grossen Fluss wirklich Delfine sahen, war ich ganz erstaunt, dass wir die bei der Hinfahrt noch nicht gesehen hatten! Es waren die rosaroten und auch graue Flussdelfine. Sie sind zwar eher hässlich, im Gegensatz zu den bekannten Delfinen, aber ich finde es sehr beeindruckend von der Natur, dass es auch in Flüssen Delfine gibt!

Eigentlich war der Plan, anschliessend schwimmen zu gehen, aber wir fuhren stattdessen zu einem benachbarten Dörfchen, wo gerade ein Fussballspiel lief. Da war eine echte, schöne Fussballwiese, umrandet von Häusern, von denen die meisten Wallblechdächer hatten. Unser Guide, Glen, klärte uns aber darüber auf, dass diese Blechdächer ja viel mehr Hitze stauen als die ursprünglichen Palmblätterdächer. Als das Spiel zu Ende war, wurde uns eine kleine Demonstration über den Gewinn vom Zuckerrohr vorgeführt. Das war noch recht spannend, denn es wird viel mehr Zuckerwasser ausgedrückt, als ich es mir vorstellen konne. Und wir konnten es kosten, es war natürlich sehr fein. Danach konnten wir noch verschiedene Dschungelalkohole probieren... Zum Beispiel rgendwas mit Passionsfrucht und weiss ich was. Der beste Drink von allen war der sogenannte Flamingo, der einfach ein Gemisch der vorherigen war. Davon kauften wir uns gleich noch eine Flasche (10 CHF) für den Abend. Wir merkten erst später, dass eine Flasche viel zu wenig war, aber gut. Auf dem Heimweg erlebten wir den schönsten Sonnenuntergang meines Lebens. Ich übertreibe nicht! Der Himmel strahlte in allen Farben: blau, violett, rot, orange, gelb - und das inmitten der puren Natur. Dies sind die Momente, für die wir leben und die wir schätzen sollten. Ich war so erfüllt von Freude und tiefster Dankbarkeit, dass ich dies erleben durfte, auch wenn es „nur“ ein Sonnenuntergang war. 


2. Tag:

Das Beste habe ich gar noch nicht erwähnt: Alberto! Alberto ist ein Papagei. Er lebt zwar in freier Wildbahn, verbringt aber den Grossteil seines Tages vor dem Haus, wo wir assen und wo die Küche ist, weil er da natürlich Essen bekommt. Fun Fact: Sein Name bekam er von meinem portugiesischen Freund und seinen Freunden, als sie vor einem Jahr hier waren! Es lebte auch noch ein kleiner, grüner Papagei im Haus, aber der war ziemlich agressiv; er schnappte immer nach allem, was ihm zu nahe kam, auch wenn es nur ein Bein von jemandem, der vorbeilief, war. 

Nach dem Frühstück gingen wir mit dem Böötchen weiter den Nebenfluss hinab (oder hinauf? Ich konnte die Strömung nicht sehen), bis wir irgendwo zwischen den Bäumen anhielten. Da gab uns Glen je einen Ast mit Nylonfaden und Haken, denn wir sollten jetzt fischen! Das erste Mal in meinem Leben. Mikkel konnte es gar nicht fassen, dass das Fischen nicht die Kindheit von mir und den beiden Deutschen begleitet hat. Wir befestigten ein kleines Stück Fleisch am haken und machten Glen nach. Der fing schon in kurzer Zeit mehrere Fische, während er uns auslachte. Mikkel war der Erste von uns, der auch einen kleinen Piranha ins Boot zog. Doch nach und nach fingen wir alle ein paar Piranhas! Als wir nach vielleicht zwei Stunden genug hatten, fuhren wir ein paar Meter aus dem Wäldchen hinaus und legten bei ein paar Häusern an. Dort wohnten irgendwelche Verwandte von Glen. Mikkel und Mario spielten mit den Einheimischen Fussball, während ein kleiner Junge mir und Pauline das Innere des Hauses zeigte: Ein paar Hängematten, doch die Hauptattraktion war ein Babyfaultier! Das tat mier unglaublich Leid, denn offensichtlich war es nicht bei seiner Mutter, und es war angemacht, sodass es nur am Boden liegen konnte. Naja, was konnten wir schon dagegen tun. Danach zeigten uns die Jungs ein weiteres Haustier, das jedoch in einer Palme lebte: eine Vogelspinne. Wir konnten sie auf unseren Händen herumkrabbeln lassen, wobei ich sagen muss, dass ich überhaupt keine Angst hatte. Im Gegenteil, es fühlte sich an, als hätte sie Tatzen. Süss. Als man sie mir ins Gesicht setzte, hatte ich jedoch schon ein bisschen Respekt. Ich durfte nicht einmal atmen! Doch natürlich passierte uns nichts.

Danach kamen wir endlich zu unserem Schwumm, vor dem Haus dieser Familie. Sehr erfrischend! Aber gleichzeitig etwas beängstigend, da man im braunen Wasser keinen Zentimeter weit sehen kann und jederzeit irgendein gefährliches Tier kommen konnte. Deshalb blieb ich nicht allzu lange drin. 

Schliesslich war es Zeit fürs Mittagessen. Natürlich gab es unsere selbst gefangenen Piranhas! War sehr fein, und ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen..

Nach ein paar Stunden relaxen machten wir und bereit für einen „Abendspaziergang“. Während wir bisher gutes Wetter hatten, schüttete es jetzt aus Kübeln, und das, während wir auf dem dachlosen Boot fuhren. Aber schliesslich waren wir im Regenwald! Als wir durch die Bäume zu einer Art Insel fuhren, war es schon dunkel. Wir liefen Glen hinterher, der uns einiges über Flora & Fauna erzählte. Zum Beispiel über einen Baum, der als Kommunikationsmittel genutzt wird. Indem man fest mit einem dicken Ast auf die riesigen Wurzeln schlägt, ertönt ein Ton, der man kilometerweit hört. Er erzählte uns auch darüber, dass er sich als Teenager verlief und sich fast in die Hosen schiss. Das erste Mal hatte er gar nichts dabei und suchte sich Unterschlupf zwischen ebendiesen riesigen Wurzeln. Das zweite Mal hatte er zwar eine Pistole (oder ein Gewehr, keine Ahnung), war ihm aber nichts nützte, da er nicht einmal die Hand vor seinen Augen sehen konnte. Das dritte Mal kletterte er in die Bäume, was normalerweise die beste Option ist. Sein Vater hat ihm all das Wissen beigebracht, das er braucht(e), um zu überleben. Termiten z.B. sind ein natürlicher Mückenschutz, wenn man sie auf der Haus verreibt. Er kennt für jede Krankheit eine Heilpflanze. Er weiss genau, was man essen kann und was giftig ist. Wer braucht da schon Mathe?! Plötzlich schrie Mikkel, der zweite in der Reihe, „snake!“. Glen hatte sie gar nicht gesehen, in all dem Schlamm. Die Schlange war zwar klein, aber anscheinend giftig und ziemlich agressiv. Glen schaffte es schlussendlich trotzdem, auf sie vorsichtig draufzustehen und sie dann am Kopf zu packen, um sie uns zu zeigen. Easy peasy... Wir sahen auch riesige Bäume, die mich an den heiligen Baum aus Avatar erinnerten. Wenig später waren wir wieder beim Boot und waren erleichtert, als niemand bei der Dunkelheit und Nässe ins Wasser fiel. 


3. Tag:

Nach dem Frühstück legten wir wieder unseren Weg zum Kanu und damit zum Böötchen zurück. Wir merkten, dass das Wasser hier jeden Tag weniger wird, man kann regelrecht zuschauen, wie die „Trockenzeit“ beginnt! Wir mussten nur wenige Minuten fahren, um zur „Isla de los monos“, also zur Affeninsel, zu gelangen. Bei der Haupthütte angekommen begrüssten und schon vier Affen; wir mussten auf unsere Sachen aufpassen. Während uns ein Guide durch die Bäume führte, begleitete uns einer der Affen und kletterte auf uns herum. Best day ever! Wusstet ihr, dass die an ihrem Schwanzende auch keine Haare haben (so wie an Händen & Füssen)? Die Affen leben hier eigentlich frei, werden jedoch gefüttert, was sie quasi zu Haustieren macht. Die kleine Tour endete in der Hütte, wo noch ein kleines Äffchen wohnte! Als ich es in die Hand nahm, fühlte ich mich wie Pippi Langstrumpf.

Nachdem wir die beiden Deutschen nach dem Mittagessen abgeladen hatten, fuhren wir zu einem anderen Dörfchen. Es schüttete in Strömen, die Hühner suchten Unterschlupf unter den Zuschauerbänken des Fussballplatzes. Ich genoss den Regen, trotzdem gingen wir in ein Haus, das dem Grossvater von irgendjemandem der Tourorganisatoren gehörte, bis der Regen schwächer wurde. Glen lief mit uns durch die Wälder und hatte zu jeder Pflanze einen Kommentar bereit. Nach diesem kleinen Spaziergang holten wir den besagten Grossvater ab, der nämlich unser Schaman für diesen Abend war. Mikkel und ich wollten zum ersten Mal Ayahuasca probieren. Weitere Infos gibt‘s bei mir privat. 


4. Tag:

Nach einer eher schlaflosen Nacht, weil eine Ratte im Häuschen ihr Unwesen trieb, kam Mikkel‘s letzter Tag. Wir gingen zu einem Reservat, wo Schlangen, prähistorische Schildkröten, Papageie, Äffchen, Tucane und ein Faultier lebten. Wir konnten alle Tiere tragen und bestaunen. Die Schildkröte war ehrlich gesagt super hässlich (Bianca, pass auf, dass du dir nicht diese Art mal tättowierst), aber so ist halt das Leben. Sie war prähistorisch, also war sie trotzdem cool. Das Faultier schmiegte sich an mich wie ein kleines Kind, was sich so gut anfühlte. Der einzige bittere Nebengeschmack war, dass ich mal gehört hatte, dass Faultiere eigentlich sehr viel Stress verspüren, wenn sie gehalten werden...

Danach durften wir nochmals diese Dschungelgetränke probieren und killten zu viert eine Flasche nach der anderen. Ich muss sagen, diese Getränke haben es schon in sich, sind aber trotzdem mega köstlich! Als wir defintiv genug hatten, fuhren wir wieder zurück. Auf dem Weg zu unserem Camp sprangen wir ins angenehme Wasser und hatten einfach unseren Spass. Nach dem Zmittag mussten wir leider Mikkel in einem anderen Dorf (grösser als die Dörfchen bisher) abladen. Dort gab es sogar richtige Strassen und Tuk Tuks. Glen fuhr mit mir zum Hafen, von wo man den „Rio Napo“, den Fluss, der nach Ecuador fliesst, sehen kann. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir in einer örtlichen Bar, wo wir zwei nette Peruanerinnen kennenlernten. Ich tauschte eins meiner Armbänder gegen einen Ring. So schafft man gute Erinnerungen ;). 


5. Tag:

An meinem letzten Morgen gingen wir wieder in die Nähe des Dörfchens, wo wir Piranhas gefischt hatten. Glen zeigte mir wieder viele Heilpflanzen, unter anderem sogar eine Pflanze, die anscheinend als Verhütung funktioniert. Auf dem Weg mussten wir durch kniehohes Wasser waten, was unsere Gummistiefel quasi unnötig machte. Dann wollte Glen durch ein überflutetes Gebiet, um auf eine Insel zu gelangen. Er ging voraus, während das Wasser immer weiter stieg. Zum Schluss hätten wir sogar schwimmen müssen (zum Glück hatte ich mein Handy nicht dabei). Doch mit Gummistiefeln schwimmen ist gar nicht mal so einfach, ausserdem hatte ich meine Regenjacke im Arm. Als Glen mich dann daran erinnerte, dass wir uns gerade im Zuhause von Anacondas befanden und wir keine Machete hatten, bekam ich schon ein bisschen Schiss. Wenn mich eine Anaconda unter Wasser gezogen hätte, hätte ich überhaupt keine Chance gehabt. Also kehrten wir unversehrt wieder um.

Am Mittag kam eine Gruppe von ungefähr 20 Leuten an; Austauschstudenten, und ich war froh, dass ich nicht mit ihnen auf der Tour war. Wer Desinfektionsmittel benutzen muss, gehört meiner Meinung nach nicht in den Dschungel..

Ich dagegen habe mich für fünf Tage wieder wie in der Jungschar gefühlt; ganz in der Natur, ohne Kontakt zur Aussenwelt, Neues entdecken. Es war toll!

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